Freitag, 19. Januar 2007

ALG2-Empfänger hungert weil das Geld nicht zum Leben reicht

Das die ARGE keine besonders beliebte Behörde ist weiß jeder. Jobs, von denen die Arbeitslosen leben können - ohne weitere soziale Leistungen in Anspruch nehmen zu müssen - kann die Agentur kaum anbieten. Beim Kürzen von Leistungen ist die Agentur jedoch stark. Lücken und Fehler finden um Sanktionen zu verhängen und so Kosten zu sparen, darin ist die ARGE scheinbar stark. Und dass als Agentur, welche ihre Arbeitslosen Kunden nennt - dass kennt man sonst nur vom Service aus der Dienstleistungsbranche. Wie die ARGE im Landkreis Osterode mit einem ALG2-Empfänger umgeht zeigt der folgende Artikel, welcher derzeit durch die Presse geht. Wenn sich die Behörde - oh Verzeihung, Agentur - weiterhin so stur stellt scheint es, dass es bald einen ALG2-Empfänger gibt der verhungerte. Das korrigiert die Arbeitslosenzahl nach unten und macht sich immer gut in der Statistik. Das Motto könnte dann lauten: "Gute Statistik - Ohne Rücksicht auf Verluste"

Seit mehr als sieben Wochen befindet sich der 54jährige Erwerbslose Rüdiger S. aus Wieda im Landkreis Osterode (Harz) im Hungerstreik. Er fordert die Übernahme der tatsächlichen Heizkosten für das Fachwerkhaus in dem er wohnt. Von dem, was die ARGE ihm zugesteht, kann er gerade sein 6 qm großes Badezimmer beheizen. Außerdem lehnt er es ab als Ein-Euro-Jobber den Internet-Auftritt des Kreises zu gestalten. Er besteht auf der Vermittlung sozialversicherungspflichtiger Arbeit.

Rüdiger S. hat gute Argumente. Für sein abbezahltes Haus entstehen neben den Heizkosten keinerlei Kosten der Unterkunft. Ebenso hat er Recht, den ihm zugeteilten Ein-Euro-Job abzulehnen. Nach den gesetzlichen Bestimmungen müssen die Arbeiten, die im Rahmen eines Ein-Euro-Jobs geleistet werden zusätzliche Arbeiten sein, damit nicht Arbeitsplätze auf diese Art und Weise vernichtet werden. Auf die Gestaltung des Internetauftritts des Kreises trifft diese Bedingung bestimmt nicht zu. Es ist nicht nachvollziehbar, dass diese Arbeit zusätzlich sein soll. Es drängt sich der Gedanke auf, dass die öffentliche Hand, sie nur nicht tariflich bezahlen will.

Dass dies Ernst gemeint ist, zeigt sich zwischenzeitlich. Statt einer sozialversicherungspflichtigen Arbeitsstelle wurde Rüdiger S. gestern erneut ein Ein-Euro-Job angeboten. Die Arbeitsgelegenheit ist 50 Kilometer von seinem Wohnort entfernt und mit dem öffentlichen Personennahverkehr nicht zu erreichen. Rüdiger S. kann gar nicht anders, als ablehnen. Offensichtlich sucht die ARGE nur einen weiteren Grund, um Sanktionen zu verhängen. Gleichzeitig ging Rüdiger S. nämlich ein Schreiben zu, mit dem er aufgefordert wurde, seinen „Unterkunftsbedarf bis zum 31.07.07 auf den für ihn maßgeblichen Umfang zu reduzieren". Sein Haus hat laut Behördenschreiben 14 qm zu viel Wohnfläche. Er soll es also verkaufen. Die ARGE setzt darauf, dass mit Verkauf des Hauses Rüdiger S. keinen Leistungsanspruch mehr haben wird, da er von dem Verkaufserlös leben müsste. Dass er über 30 Jahre als Dachdecker gearbeitet hat, dass er das 1998 für 120.000 DM erworbene und selbst sanierte Haus nur unter großen Verlusten verkaufen könnte und dass darunter seine Altersvorsorge leiden würde, interessiert nicht.

Rüdiger S. ist kein Einzelfall. Mindestens 100.000 Haushalte in Deutschland befinden sich in einer vergleichbaren Notlage. Nach jahrzehntelangem Arbeiten und Sparen droht ihnen durch Erwerbslosigkeit die Zwangsverwertung des Wohneigentums. Bei Notverkäufen und Zwangsversteigerungen bleiben den Verkäufern oft noch Schulden über. Profiteure dieser legalen Enteignungswelle sind die Banken und die Reichen, die sich zu Schleuderpreisen mit Immobilien eindecken.